John Cunnally, Jonathan H. Kagan und Stephen K. Scher: Numismatics in the Age of Grolier. An Exhibition at The Grolier Club […], in: Numismatisches Nachrichtenblatt 51 (2002) 8, S. 321f.
Rezension
Auf Anregung von Andrew Burnett vom British Museum London wurde ab dem 11. September 2001 in New York eine Ausstellung über die Entstehung der wissenschaftlichen Numismatik in der Renaissancezeit gezeigt. Dazu erschien ein typographisch aufwendig gestalteter Katalog, der leider unbebildert blieb. Dennoch ist der Katalog hervorragend als Einleitung in die Thematik geeignet, die in elf Kapiteln, nach Vitrinen geordnet, dargestellt wird.
In der ersten Vitrine sind die Origins of Coin-Collecting and Numismatic Science (S. 3-12) anhand einiger Beispiele illustriert. So werden etwa die berühmten Tetradrachmen von Rhodos gezeigt, die als die Judaspfennige der Bibel galten. Außerdem ist ein Brief Petrarcas zitiert, der Kaiser Karl IV. eine Sammlung von römischen Kaisermünzen schenkte, um ihn zur Nachahmung von deren Taten anzuregen. Medaillen auf die Kaiser Konstantin und Heraclius, die im Umfeld des Hofes von Jean Duc de Berry entstanden, weisen ebenfalls deutlich darauf hin, daß die Numismatik in ihrer Entstehungszeit an das höfische Milieu gebunden war. Das zweite Kapitel behandelt The First Numismatic Books (S. 13-20). Hier werden Guillaume Budé (1467-1540) und Andrea Fulvio (um 1470-1527) einander prototypisch gegenübergestellt. Budé steht dabei für den Beginn der Erforschung der antiken Metrologie, die er anhand der schriftlichen Überlieferung rekonstruierte, Fulvio dagegen stellte anhand von (teils erfundenen) Münzporträts die antiken und frühmittelalterlichen Herrscher vor, beginnend mit dem Gott Janus. Im dritten und vierten Kapitel (Metrological Texts of the Renaissance, S. 20-25; Bildnisvitenbücher, S. 25-28) wird die weitere Entwicklung dieser beiden numismatischen Forschungsrichtungen verfolgt. Hier begegnet etwa die metrologische Arbeit Georg Agricolas (1490-1555) De mensuribus & ponderibus Romanorum atque Graecorum, deren Erscheinen ihrem Autor Ruhm bringen sollte, wie es ihm Erasmus von Rotterdam in einem Brief wünschte. Johann Huttich schließlich veröffentlichte 1525 ein Buch über die römischen Kaiser, das von den Konsuln der römischen Republik über das Mittelalter bis zu dem damals regierenden Kaiser Karl V. reichte – auch dies ein beredtes Zeichen vom herrscherlichen Selbstverständnis der Zeit. Die Kapitel fünf bis sieben sind einzelnen Numismatikern gewidmet: Enea Vico (1523-1567; Enea Vico and Classicizing Medals, S. 29-36) setzte gegenüber Sebastiano Erizzo (1525-1585; Erizzo and Strada, S. 36-41) die Ansicht durch, daß die antiken Prägungen keine Medaillen sondern für den Geldumlauf bestimmte Münzen waren. Jacopo Strada (1515-1588) war nach seinem Aufenthalt am Hof der Gonzaga Antiquar Hans Fuggers und wurde von Titian porträtiert. Auch er beschäftigte sich mit den Porträts der Herrscher von Julius Caesar bis zu Karl V., nahm entgegen seinen wissenschaftlichen Vorgängern aber auch byzantinische Münzen zur Kenntnis. Aus dem Numismatischen Porträtarchiv Peter Berghaus hat ein Kupferstich von Hubert Goltzius (1526-1583; Hubert Goltzius, S. 41-45) seinen Weg in die New Yorker Ausstellung gefunden. Goltzius veröffentlichte seine Kaiserdarstellungen in fünf Sprachen (Latein, Deutsch, Französisch, Italienisch und Spanisch) und begann als erster ein Corpuswerk der antiken griechischen Münzen. Das achte Kapitel zeigt die Beziehungen des französischen Kriegsschatzmeisters und Namenspatrons des Grolier Club Jean Grolier (1489/90-1565; Grolier and His Collection, S. 45-54) zur Numismatik auf. Neben der durch sein Amt erforderlichen Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen bimetallischen Münzwesen hatte er „eine beinahe endlose Anzahl an Gold-, Silber- und Kupfermünzen“ unterschiedlicher Größe von guter Erhaltung zusammengebracht, die ihm großen Ruhm eintrug, wie Jacopo Strada schrieb. Die Vitrinen neun und zehn (Varieties of Numismatics in the Late Sixteenth Century, S. 54-57, und The Culmination of Renaissance Numismatics, S. 58-65) widmen sich noch einmal weiteren Numismatikern, darunter Adolf Occo (1524-1606), dessen knappe Münzbeschreibungen an heutige Kataloge erinnern, und Fulvio Orsini (1529-1601), der als Vater der wissenschaftlichen Ikonographie gilt. Das letzte Kapitel schließlich geht auf die französischen Porträtmedaillen der Renaissance ein (The Development of the French Renaissance Portrait Medal, S. 65-73). Deren Entwicklung „was always heavily dependant on the patronage of the crown“. Damit wird der Eindruck vom Wesen der Numismatik im 15. und 16. Jahrhundert abgerundet. Numismatik war damals eine Wissenschaft, die im höfischen Umfeld betrieben wurde und hauptsächlich zur Herrschaftslegitimation beizutragen hatte, auch wenn im weiteren Verlauf vermehrt das antiquarische und historische Interesse hervortrat.
Hendrik Mäkeler