Hubert Emmerig: Bayerns Münzgeschichte im 15. Jahrhundert. Münzpolitik und Münzprägung der bayerischen Herzogtümer und ihrer Nachbarn von 1390 bis 1470

Hubert Emmerig: Bayerns Münzgeschichte im 15. Jahrhundert. Münzpolitik und Münzprägung der bayerischen Herzogtümer und ihrer Nachbarn von 1390 bis 1470, 2 Bände (= Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 150) […], dans: Jahrbuch für Regionalgeschichte 27 (2009), pp. 163-166.

Critique

Mit seiner monumentalen Wiener Habilitationsschrift, die im Wintersemester 2004/05 angenommen wurde und inzwischen in der Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte der gleichnamigen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften erschienen ist, legt Hubert Emmerig erstmals eine grundlegende Bearbeitung der bayerischen Münzgeschichte des 15. Jahrhunderts vor. Einleitend weist der Verfasser darauf hin, daß die Bearbeitungssituation der schriftlichen Quellen zum Thema seit den 1760er Jahren im wesentlichen unverändert geblieben war. Der Katalogisierungsstand des Münzmaterials nimmt sich im Vergleich dazu recht modern aus: Die letzte übergreifende Zusammenstellung der bayerischen Münzen des betreffenden Zeitraums stammt aus dem Jahr 1901 und ist mithin einer Epoche zuzurechnen, in der zahlreiche der noch heute maßgeblichen numismatischen Katalogwerke entstanden.

Aufgrund der hervorragenden archivalischen Überlieferung zum bayerischen Münzwesen ist es daher nur folgerichtig, daß sich Emmerigs Untersuchung nicht zuletzt auf diese Quellengruppe konzentriert. Besonders verdienstvoll erscheint dabei die regestenförmige Erfassung sämtlicher relevanter Schriftstücke der Jahre 1390 bis 1470, die allein 1.136 Nummern umfaßt und den Hauptteil des zweiten Bandes der Abhandlung einnimmt. Doch auch der Münzbestand des Untersuchungsgebietes wird nicht vernachlässigt, sind doch auf 38 Tafeln die wesentlichen Typen und Varianten des eher unscheinbaren Materials in hervorragenden Abbildungen versammelt. Die Münzfunde als weitere Quellengruppe konnte Emmerig dagegen aufgrund des von ihm zurückhaltend als „schlecht“ bezeichneten Forschungsstandes nur in Auswahl berücksichtigen. Eine umfassende Aufarbeitung der Münzfunde benennt der Verfasser daher – vollkommen zu Recht – ebenso wie den Vergleich seiner Ergebnisse mit Quellenmaterial aus anderen Regionen als wesentlichstes Desiderat der Forschung.

Allein durch diese wohl auch längerfristig schwerlich erfüllbare Forderung wird der Erkenntnisfortschritt deutlich, den Emmerigs Habilitationsschrift darstellt: Vergleichbare Untersuchungen für andere deutsche Regionen existieren nicht und sind nach Kenntnis des Rezensenten derzeit auch nirgends in Planung. Die mustergültige Anlage der Wiener Arbeit könnte allerdings für künftige Unternehmen gleicher Art Pate stehen. Nach den einleitenden Überlegungen wird darin zunächst chronologisch die bayerische Münzgeschichte von der Landesteilung 1392/93 bis zum Aufkommen der Idee zu einer neuen Münzprägung 1470 dargestellt. Breiten Raum nimmt dabei die Schilderung der sogenannten Schinderlingszeit von 1459/60 ein, deren Ursachen und Verlauf in Emmerigs Arbeit erstmals eingehend dokumentiert werden. Dabei ist eine Versechsfachung der Preise feststellbar, die einer mindestens ebenso starken Wertminderung des Geldes entsprach. Das dadurch ausgelöste Mißtrauen gegenüber der Währung hatte deren Nichtannahme und damit Versorgungsengpässe in der Bevölkerung zur Folge. Diese Mißstände ließen sich nur unter großen Mühen beseitigen, was mehrere Jahre kostete.

Besonders interessant erscheint dem Rezensenten allerdings die ausführliche Darstellung des Wegs in die Inflation. Hierbei spielten die Ereignisse um die Verhängung der Reichsacht über Herzog Ludwig den Reichen von Bayern-Landshut (1450-1479) im Jahr 1459 eine wesentliche Rolle, nachdem dieser die Reichsstadt Donauwörth annektiert hatte. Zur finanziellen Vorbereitung der zu erwartenden Kriegshandlungen wurden nicht nur umfangreiche Bargeldbestände in 104 Säcken der Schatzkammer im Bergfried der Residenz Burghausen entnommen, sondern Ludwig richtete auch die Münzstätte Landshut neu ein, wo nunmehr Pfennige mit einem Feingewicht von nur noch 0,08 g gegenüber den noch 1458 vorgesehenen 0,19 g gemünzt werden sollten. Nach Ende des erwarteten Krieges beabsichtigte Ludwig, die minderwertigen Münzen zu verbieten und abzuwerten. Dadurch allerdings wurde eine Abwärtsspirale verstärkt, der sich auch die umliegenden Herrschaftsgebiete nur selten zu entziehen vermochten. Eine Ausnahme stellte Pfalzgraf Otto I. dar, der sich dem 1457 zwischen den Markgrafen Johann und Albrecht, der Stadt Nürnberg und Bischof Anton von Bamberg geschlossenen Fränkischen Münzverein anschloß. Dies führte zu Befürchtungen Bischof Johanns von Eichstätt, daß sich bei anhaltenden chaotischen Verhältnissen im bayerischen Münzwesen weitere Prägeherren nach Franken orientieren könnten. Man sah also den bayerischen Währungsraum aufgrund der verantwortungslosen Geldpolitik Ludwigs des Reichen als gefährdet an.

Auf die chronologische Darstellung folgt eine systematische Untersuchung der einzelnen Münzstände Niederbayern-Straubing-Holland, Bayern-Ingolstadt, Bayern-Landshut, Bayern-München, Oberpfalz, Salzburg, Passau, Leuchtenberg, Hals und Oettingen. Dabei werden jeweils die Münzherren, die entsprechenden Münzordnungen und – besonders verdienstvoll – die unterschiedlichen Münzfüße übersichtlich und leicht nachvollziehbar zusammengestellt. Darauf folgen Angaben zu den Münzstätten und dem Münzpersonal. Nach einem auswertenden Text schließen der Katalog der Münzen und eine Auflistung weiterer Personen, die in der Münzpolitik von Bedeutung waren, aber nicht dem Personal der Münzstätten zuzurechnen sind, die einzelnen Abschnitte ab. Wiederholungen von bereits aus dem ersten Hauptteil Bekanntem sind dabei nicht gänzlich vermeidbar, wie der Verfasser selbst einräumt, doch bietet diese Vorgehensweise den klaren Vorteil, daß sich die einzelnen Abschnitte der Arbeit auch separat nutzbringend rezipieren lassen. Angesichts des Umfangs der Untersuchung dürfte jeder Leser diesen geringen Nachteil daher gerne in Kauf nehmen.

Einzelfragen von übergreifender Bedeutung geht der vierte Hauptteil der Habilitationsschrift nach. Dabei werden Gutachten, Bestallungsbriefe und Abrechnungen als spezifische Gattungen unter den relevanten Schriftquellen betrachtet, denen die Aussage der erzählenden Quellen gegenübergestellt wird. Dabei bestechen nicht zuletzt die drastischen Schilderungen der Auswirkungen der Münzpolitik, die auf diese Weise erkennbar werden. Wer vill alter kossel hett, der munst dester pas, schrieb etwa der Pfarrer Jakob Unrest in seiner österreichischen Chronik und spielte damit auf die mögliche Herkunft des vielen Kupfers in den Münzen an.

Von besonderer Bedeutung ist das Unterkapitel zur „Praxis der Münzpolitik“, in dem Emmerig neben der technischem Umsetzung der Münzprägung vor allem der Frage nachgeht, was Münzpolitik im 15. Jahrhundert war, wer sie in Bayern machte und wie sie verwirklicht wurde. Die Beantwortung dieser Fragen ist maßgeblich für die Einschätzung der realen Auswirkungen von Teilen der Quellengrundlage, zumindest soweit sie die Münzordnungen betrifft. Emmerig verweist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der Räte, wobei er allerdings noch keine Personen mit besonderer Spezialisierung auf den Bereich des Münzwesens auszuweisen vermag. Vielmehr erhofft er sich eine genauere Klärung dieser Frage auf der Grundlage der umfangreichen von ihm zusammengestellten Personenlisten.

Wenn man die Geldgeschichte als verfassungsgeschichtlichen Nukleus betrachtet, verdient nicht zuletzt Emmerigs eindringliche Analyse des Ablaufs von gemeinschaftlicher bayerischer Geldpolitik Beachtung. Er stellt fest, daß sich zunächst die Räte jedes Herzogs einzeln beraten sollten, wonach eine gemeinschaftliche Besprechung der Räte beider Herzöge vorgesehen war. Erst wenn die bayerischen Herzöge sich auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt hatten, wollte man weitere Nachbarn in die Verhandlungen einbeziehen. Die Reaktionen auf das Ansinnen der Herzöge waren dabei unterschiedlich, wie Emmerig zeigt: Passau und Salzburg signalisierten gewöhnlich ihr Einverständnis, während Leuchtenberg und Oettingen unter Hinweis auf das ihnen von den römischen Königen und Kaisern verliehene Münzrecht auch offen widersprachen. …darein im dy herren von Bairn nicht zu reden haben, verlautbarte etwa der Oettinger Graf.

Hubert Emmerigs Arbeit stellt aus verfassungs-, landes-, technik- und geldgeschichtlicher Sicht eine bahnbrechende Untersuchung dar, die für die anderen deutschen Landschaften Nachahmung finden sollte, ja Nachahmung finden muß, wenn man ein adäquates Verständnis der mittelalterlichen Geld-, Landes- und Verfassungsgeschichte als erstrebenswert erachtet. Leider scheinen die institutionellen Voraussetzungen für weitere derartige Untersuchungen in Deutschland derzeit nicht gegeben zu sein, weshalb man dem Institut für Numismatik und Geldgeschichte an der Universität Wien um so dankbarer sein wird, daß dort eine derartige Habilitationsschrift entstehen konnte.

Hendrik Mäkeler