Christian Dekesel und Thomas Stäcker (Hrsg.): Europäische numismatische Literatur im 17. Jahrhundert (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, 42) […], in: Geldgeschichtliche Nachrichten 42 (2007) 233, p. 173.
Review
Nachdem die Reihe „Numismatiker im Porträt“ von Peter Berghaus, die in den GN erschienen ist, eingestellt worden war, schien die Erforschung der Geschichte der Numismatik zumindest in Deutschland zu stagnieren. Daß dieser Eindruck verfehlt ist, verdeutlicht eindrucksvoll der vorliegende Band, der die Vorträge einer Tagung an der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel dokumentiert. Die Tagung selbst konnte sich bereits in der Tradition eines Symposions sehen, das Peter Berghaus 1992 zum Thema „Numismatische Literatur 1500-1864. Die Entwicklung der Methoden einer Wissenschaft“ (erschienen Wiesbaden 1995) veranstaltet hatte. Die Wahl Wolfenbüttels als Tagungsort ist durch die dortigen reichen Bestände an numismatischer Literatur des 16. bis 18. Jahrhunderts geradezu eine Selbstverständlichkeit. Im Gegensatz zu dem ersten Wolfenbütteler Symposion beschränkte sich die zweite Tagung auf einen engeren Zeitraum und behandelte ausschließlich das 17. Jahrhundert, allerdings in weiter europäischer Perspektive.
Auf der Grundlage seiner monumentalen Bibliographie der numismatischen Veröffentlichungen des 17. Jahrhunderts (Bibliotheca Nummaria II. Bibliography of 17th century numismatic books, 3 Bde., London 2003) gibt Christian Dekesel einführend einen ausgezeichneten Überblick über das europäische Gesamtbild.
Die weiteren 23 Beiträge sind in sieben Bereiche gegliedert. An erster Stelle stehen acht Aufsätze zu „Leben und Arbeit berühmter Numismatiker“, worunter etwa Andrew Burnett über John Evelyn und Obadiah Walker berichtet, die gegen Ende des Jahrhunderts beide an numismatischen Publikationen arbeiteten, die zwar wenig Neues enthielten, aber nicht zuletzt wegen der persönlichen Spannungen zwischen den beiden Verfassern von Interesse sind. Christian Dekesel verfolgt das Leben des Jean Foy-Vaillant, der als Antiquar des Königs tätig war, und stellt ausführlich dessen numismatische Veröffentlichungen vor. Jørgen Steen Jensen beschäftigt sich mit Hans Mule, der u.a. als Assessor am höchsten dänischen Gericht wirkte und den ersten in Dänemark erschienenen Katalog einer Münzsammlung verfaßt hat. Seine Sammlung gelangte in das Kopenhagener Nationalmuseum, wo sich heute noch einzelne Stücke daraus identifizieren lassen. Torbjörn Sundquist stellt das „Itinerarium“ des Hannoveraners Heinrich Bünting vor, das sich mit den Münzen und Maßen des Heiligen Landes beschäftigt, aber in seinen Karten auch eine Interpretationsform des Wappens von Hannover gibt. Der Beitrag von Edith Lemburg-Ruppelt zur Quellendiskussion im 16. und 17. Jahrhundert ist ebenfalls, wohl wegen der nicht zutreffenden Hauptüberschrift, mit in diese Rubrik geraten – der richtige Titel läßt sich nur den Kopfzeilen entnehmen.
Der zweite Teil des Bandes ist der Geschichte der numismatischen Sammlungen gewidmet, doch befaßt sich nur der erste darunter aufgeführte Beitrag mit diesem Thema: David Berry und Henry Kim stellen die Numismatik als besonderen Schmuck der Universität Oxford vor, während sich Bernhard Overbeck mit Octavius Strada von Rosberg, dem Sohn des berühmten Jacobus Strada, beschäftigt und die Illustrationen in dessen Hauptwerk auf deren Wahrheitsgetreuigkeit überprüft.
Im dritten Teil geht es um den „Einfluß numismatischer Publikationen auf andere Aspekte des Lebens“, darunter in dem Beitrag von Peter Berghaus um „Numismatische Bezüge in der Pompa Introitus des Caspar Gevaerts“, die den Sieg des Kardinalinfanten Ferdinand von 1634 vor Nördlingen feiert und von Peter Paul Rubens und dem Altphilologen Gevaerts entworfen wurde. Unter den Beiträgen zum vierten Abschnitt des Buches ist der Aufsatz von Clas-Ove Strandberg zur Bibliothek der Königin Lovisa Ulrika bzw. des Grafen Carl Gustaf Tessin hervorzuheben, die sich bis heute im Stockholmer Münzkabinett erhalten hat.
Die politische Rolle numismatischer Publikationen (5. Abschnitt) untersuchen Ulrich Rosseaux am Beispiel der Publizistik zur Kipper- und Wipperzeit und Paul Arnold anhand der Histoire Métallique der sächsischen Kurfürsten und Herzöge, die er anhand der Abhandlungen des Hofhistoriographen Wilhelm Ernst Tentzel vorstellt. Zwei weitere Beiträge in dem Sammelband (6. Abschnitt) sind den europäischen Zentren der numismatischen Buchproduktion gewidmet, während Christian Dekesel in seinem abschließenden Aufsatz den bemerkenswerten Fund eines handschriftlichen Supplements zu Johann Gottfried Lipsius’ Bibliotheca Numaria bekannt macht.
Der neue Wolfenbütteler Sammelband dokumentiert eindrucksvoll den nicht unbeträchtlichen Fortschritt, den die Erforschung der Geschichte der Numismatik durch die dortige Tagung gemacht hat. Ein ähnlich detailliertes Bild des numismatischen Arbeitens im 17. Jahrhundert ist anderweitig nicht zu finden. Die gelegentlichen Ungereimtheiten der Anordnung des Bandes verdeutlichen die Schwierigkeiten bei der Gliederung des umfangreichen neuen Wissens mehr als daß sie verwirren. Rein äußerlich ist der Band sorgfältig ausgestattet und mit sehr zahlreichen Abbildungen versehen. Auch die Mühe der Erstellung eines Personenregisters haben die Herausgeber dankenswerter Weise nicht gescheut, so daß der Inhalt des Bandes gut erschlossen ist. Daher sei an dieser Stelle nur die Hoffnung ausgedrückt, daß sich weitere Wolfenbütteler Tagungen anschließen mögen, die sich etwa der Numismatik im 18. Jahrhundert widmen könnten und gerne in ebenso gediegener Form präsentiert werden sollten!
Hendrik Mäkeler