Michael North: Kleine Geschichte des Geldes. Vom Mittelalter bis heute, München 2009. 255 S., Paperback. ISBN 978-3-406-58451-0. 14,95 €, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 97 (2010) 3, S. 412f.
Rezension
Im Zuge der Finanzkrise haben verschiedene Verlage die Aktualität des Themas genutzt, um Bücher zum Thema „Geld“ auf den Markt zu bringen. Geschäftlich am erfolgreichsten waren dabei wohl die Verlage Allen Lane und Penguin Books mit „The Ascent of Money. A Financial History of the World“ von Niall Ferguson, das bei Econ und Ullstein auch in deutscher Übersetzung erschienen ist. C.H. Beck ist ebenfalls auf den Zug aufgesprungen und hat Michael North zu einer Neuauflage des Buches „Das Geld und seine Geschichte. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart“ bewogen, die als „Kleine Geschichte des Geldes“ in der beck’schen Reihe erschienen ist. Kleiner geworden ist das Buch allerdings nur um die Endnoten und das Register, wobei letzteres wohl der Eile aufgrund des Drucktermins geschuldet ist. Zugleich ist der Band aber ein wenig gewachsen, da der Europäischen Währungsunion nun ein eigenes Kapitel gewidmet ist und abschließend – ganz aktuell – ein Fazit zu Krisen und Globalisierung gezogen wird.
Mit gutem Gespür für das Wesentliche werden diverse zentrale Fragen aufgegriffen. Neue Erkenntnisse bietet das Buch nach wie vor jedoch nicht; vielmehr beruht die Darstellung auf mehr oder weniger aktuellem Wissen. Allein für das einleitende Kapitel ergäbe sich daher deutlicher Korrekturbedarf: man würde heutzutage unter den Karolingern keine „staatliche Aufsicht“ des Münzwesens annehmen und die merowingischen Monetare ebensowenig als „Privatunternehmer“ bezeichnen (S. 8). Unter den Ottonen ist von wesentlicher Bedeutung, daß augenscheinlich nicht nur Herzöge sondern auch Erzbischöfe münzberechtigt waren, ohne deswegen eines königlichen Münzprivilegs bedurft zu haben (S. 9). Die Zahlen zu den wikingerzeitlichen Münzfunden in Schweden sind inzwischen beträchtlich gestiegen, und daß die zeitgenössischen Münzen aus dem deutschen Raum hauptsächlich exportiert wurden, ist inzwischen ebenfalls als übertrieben erkannt worden (S. 10). Die Behauptung, daß Münzen wegen der häufigen Verrufungen ihre Funktion als Wertaufbewahrungsmittel „nur sehr schwer erfüllen“ konnten (S. 11), verkennt die Tatsache, daß die Gepräge aufgrund ihres intrinsischen Wertes sehr wohl dieser Aufgabe gewachsen waren. Die verschiedenen größeren Brakteatenfunde jener Zeit dürften demgemäß nicht zuletzt damit zu erklären sein, daß die Münzen den inneren Wert behielten, obgleich ihr Gepräge ungültig geworden war – entsprechend attraktiv war es, sie zu horten. Problematisch ist zudem die Formulierung, östlich des Rheins hätte „kaum ein Mensch seit der römischen Zeit eine Münze zu Gesicht bekommen“ (S. 12). Einerseits waren römische Münzen dort naturgemäß kein „offizielles Zahlungsmittel“, und andererseits dürften die dennoch in größerer Anzahl kursierenden römischen Münzen teilweise bis in die Karolingerzeit und darüber hinaus im Umlauf verblieben sein. Ob es wirklich so hohe Tributzahlungen an die Wikinger gegeben hat, wie in den Schriftquellen behauptet wird, ist zumindest umstritten. Ein archäologischer Nachweis läßt sich jedenfalls nicht führen. Wenn es aber keine Silberexporte entsprechenden Ausmaßes gab, können diese schwerlich den Silberbestand im Karolingerreich maßgeblich dezimiert haben, was in der Folge nicht zu einer verminderten Münzprägung geführt haben kann (S. 13).
Auch im weiteren Verlauf der Darstellung werden noch verschiedene unzutreffende Feststellungen aus der Literatur weiterkolportiert. Einige Beispiele mögen genügen: Gulden wurden von einzelnen Kurfürsten bereits vor den Privilegierungen durch Karl IV., insbesondere im Rahmen der Goldenen Bulle, geprägt, weshalb sich deren wirtschafts-, nicht aber ihre verfassungsgeschichtliche Bedeutung relativiert (S. 27); die erste Stadt im deutschen Raum, die das Recht zur Goldmünzprägung erhielt, war nicht 1340 Lübeck sondern 1324 Speyer (ebd., das Recht wurde allerdings gemäß dem heutigen Stand der Forschung nicht ausgeübt); Nicolas Oresme ist gewiß nicht der Begründer der mittelalterlichen Geldtheorie (S. 45), eher wäre Isidor von Sevilla erwägenswert, wenn man eine solche Bezeichnung überhaupt für sinnvoll erachtet; Thomas Gresham hat niemals ein „Greshamsches Gesetz“ formuliert (S. 46f.), dessen Erfindung geht vielmehr auf den schottischen Wirtschaftswissenschaftler Henry D. MacLeod (1821-1902) zurück.
Wesentlicher noch erscheint dem Rezensenten allerdings, daß ein so zentrales Ereignis für die Geschichte des Geldes wie die Erfindung der Banknote in dem Buch weitgehend unbeachtet bleibt. Obgleich North nur Italien, Spanien, Frankreich, die Niederlande, England und den deutschen Raum als sein Untersuchungsgebiet angibt (S. 14), erwähnt er immerhin kurz, daß „die schwedische Reichsbank (Riksbank) schon einmal in den 1660er Jahren, d.h. noch vor der Bank of England, kurzfristig Banknoten ausgegeben“ habe (S. 137). Dies ist insofern falsch, als die Emission durch die sogenannte Palmstruch’sche Bank geschah, nach deren Konkurs im Jahr 1668 erst die schwedische Reichsbank gegründet wurde. Es findet sich aber kein Wort zu der Bedeutung des grundlegend neuen Konzepts des Kreditgeldes, das Johan Palmstruch entwickelt hatte. Dadurch wurde dieses Papiergeld überhaupt erst zu Banknoten im heutigen Sinne. Auch die Folgen der übermäßigen Verwendung dieses neuen Kreditinstruments bleiben unerwähnt, die in verschiedener Hinsicht mit der aktuellen Finanzkrise vergleichbar sind.
Trotz der zahlreichen inhaltlichen Ungenauigkeiten und Fehler wird man immerhin begrüßen, daß Norths Neuauflage eine gut lesbare Alternative zu dem konfus-essayistischen, aber ideenreichen Werk aus der Feder von Niall Ferguson bietet.
Uppsala, Hendrik Mäkeler