Klaus Grubmüller / Markus Stock (Hg.): Geld im Mittelalter. Wahrnehmung – Bewertung – Symbolik […], in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 3 [15.03.2006].
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http://www.sehepunkte.historicum.net/ 2006/03/pdf/9358.pdf
Rezension
Die Einführung des Euro hat zu einer intensiveren Beschäftigung mit dem Phänomen „Geld“ in den verschiedensten Wissenschaftsbereichen geführt. Davon zeugt auch der unlängst erschienene Sammelband „Geld im Mittelalter“. Die darin vereinigten Beiträge gehen zumeist auf eine Tagung des Mittelalterlichen Arbeitskreises der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel zurück, die bereits Ende November 2001 abgehalten wurde. Die lange Zeit bis zum Erscheinen der Vorträge mag dazu beigetragen haben, dass drei der zehn Beiträge zuvor auch an anderer Stelle veröffentlicht worden sind.
Erklärtes Ziel ist die Herausarbeitung kulturhistorischer Perspektiven auf die Wahrnehmung, Bewertung und Symbolik des Geldes im Mittelalter. Damit, so Klaus Grubmüller in seinem einleitenden Beitrag, solle eine Forschung ergänzt werden, die sich bislang auf wirtschaftsgeschichtliche und finanztechnische Fragen konzentriert habe. [1] Entsprechend knapper Raum ist demgemäß einer numismatischen Einführung zugemessen, in deren Rahmen Bernd Kluge einen souveränen Überblick über die Geldgeschichte des 6. bis 15. Jahrhunderts gibt. Für die zugehörigen Abbildungen muss der Leser allerdings auf die Vorabveröffentlichung dieses Beitrages zurückgreifen. [2]
Eigens für diesen Sammelband ist der Beitrag von Markus Stock geschrieben worden, der in einer semasiologischen Studie die Bedeutungsbreite des mittelhochdeutschen Wortes „gelt“ verfolgt. Der Verfasser stellt fest, dass „ein Bedeutungswandel vom Schuldausgleich hin zum Zahlungsmittel“ (35) erkennbar werde, der aufgrund der langen Zeitdauer und entwicklungsgeschichtlichen Inhomogenität offenbar nicht in absoluten Zeiträumen eingrenzbar ist. Für die Interpretation von Quellenstellen, die „Geld“ erwähnen, ist außerdem Stocks Feststellung zu beachten, dass noch im 15. Jahrhundert der Begriff „phennincgelt“ zur eindeutigen Bezeichnung von „Münzgeld“ verwendet wurde.
Peter Schmidt geht in einer grundlegenden Untersuchung Problemen der Bildnisforschung anhand der Herrscherdarstellungen auf Münzen nach. Er stellt fest, dass Münzen im Mittelalter einziges visuelles Massenmedium waren, deren diesbezügliche Auswertung von der Kunstgeschichte bislang jedoch vernachlässigt worden ist. Zur Überwindung der lange vorherrschenden Frage nach der Porträtähnlichkeit schlägt der Verfasser eine Untersuchung der Gesichtsdarstellungen als Bedeutungsträger vor: „fragt man nach der Art der Konstruktion und Kommunikation von Aussagen über den Dargestellten, müssen die Münzen aus der kunsthistorischen Geringschätzung geholt und als Massenmedium solcher Aussagen gleichberechtigt neben den monumentalen Zeugnissen betrachtet werden“ (59). Aus dieser Perspektive betrachtet Schmidt im Folgenden die Augustalen Kaiser Friedrichs II. und verfolgt erneut die Frage nach deren Vorbildern. Darüber hinaus werden „verschiedene Nuancen der Ähnlichkeits- bzw. Porträtdebatte“ (70) anhand der Münzen Karls des Großen und der Salier behandelt. – Der mit diesem Beitrag eröffnete Forschungsbereich erscheint dem Rezensenten besonders vielversprechend und verdient weitere Untersuchungen.
Der Rolle von Geld in der mittelalterlichen Politik gehen die Beiträge von Hermann Kamp und Knut Görich nach. Kamp legt dar, dass mit der Monetarisierung der Gesellschaft Geldzahlungen etwa zur Kriegsführung, für Belehnungen und zur Bestechung bei Königswahlen gebräuchlich wurden. Aufgrund dieser Feststellung fragt er, ob die „Monetarisierung der Politik […] einen Angriff auf die Moral der Gabe“ (94) darstellte. Kamp verweist etwa auf Cosmas von Prag und Caesarius von Heisterbach, die Geld letztlich als Feind von Recht und Gerechtigkeit verstehen. Um der Verbindung mit negativen Geldvorstellungen etwas entgegenzusetzen, hätten die Herrscher sich besonders freigebig zeigen müssen, was zu einer Blüte des Austauschs von Geschenken im 12. und 13. Jahrhundert geführt habe.
Knut Görich verweist in seinem Beitrag zum Geld am Hof Friedrich Barbarossas anhand der Kritik am kaiserlichen Umgang mit Geld und dem Verschweigen von Geldzahlungen in den Urkunden auf die zeitgenössische Befürchtung, dass das vorgeblich freiwillige Handeln des Kaisers durch die Geldzahlungen entlarvt werden und dies letztlich eine Gefahr für dessen Ehre darstellen könne.
Der „Geldgier in Bildern des Mittelalters“ ist der Beitrag von Ulrich Rehm gewidmet. Das Laster der Habgier (avaritia) wird mit einer krallenartigen Hand als wichtigstem Attribut dargestellt, dämonisiert und durch um den Hals gehängte Geldbeutel sowie unersättliche, weit aufgerissene Rachen gekennzeichnet. Wichtiger Gegenstand der Darstellungen sind ferner Wucherer und die Gelddelikte Geistlicher. Der Verfasser weist anhand der Bilder auf unterschiedliche Verbindungen etwa zwischen Geld und dem Gestank von Gedärmen sowie von Geld und Höllenqualen hin.
Dieter Kartschoke stellt in seinem Beitrag verschiedene aufschlussreiche Satiren über Geld und Geldgebrauch zusammen, darunter Walter von Châtillons Parodie Nummus vincit, nummus regnat, nummus cunctis imperat auf Christus vincit, Christus regnat, Christus imperat. Ergänzend wäre allenfalls darauf hinzuweisen, dass sich letztere Formel auch als Münzumschrift auf den seit 1266 massenhaft geprägten Turnosengroschen fand. Unter dem gleichen Motto behandelt Paul Gerhard Schmidt die Äußerungen Caesarius von Heisterbachs über die zisterziensische avaritia. Der abschließende Beitrag von Roberto Lambertini beschäftigt sich mit der Rolle des Geldes im Streit zwischen Papst Johannes XXII. und Michael von Cesena im Rahmen des allgemeinen Dissenses über die Grundlagen des franziskanischen Armutsideals.
In dem Sammelband sind mithin zahlreiche wichtige Beiträge vereint, die neues Licht auf das Thema „Geld im Mittelalter“ werfen. Eine „Gesamtschau zum Thema“, wie der Klappentext sie verspricht, wird freilich nicht geboten. Dazu wären weitere Beiträge etwa zu mittelalterlichem Geldrecht und Geldumlauf sowie zur mittelalterlichen Geldtheorie und Geldverbreitung in der Bevölkerung notwendig gewesen.
Angesichts der Tatsache, dass das Buch für seinen Umfang einen eher unpopulären Preis hat, verwundert die Bemühung um „Popularität“ durch Verwendung von Endnoten, in denen auf diese Weise zahlreiche interessante Quellen- und Literaturverweise etwas verborgen sind.
Anmerkungen:
[1] Weitere, teils bereits zur Zeit der Tagung vorliegende Bände ähnlicher Zielrichtung werden nicht angeführt. Zu nennen wären (in der Reihenfolge ihres Erscheinens) etwa Société des Historiens Médiévistes de l’Enseignement Supérieur Public (Hg.): L’argent au moyen âge. XXVIIIe Congrès de la S.H.M.E.S. (Clermont-Ferrand, 30 mai-1er juin 1997) (= Série Histoire Ancienne et Médiévale; 51), Paris 1998; Moneda y monedas en la Europa Medieval (Siglos XII-XV). XXVI Semana de Estudios Medievales. Estella, 19 a 23 de julio de 1999, Pamplona 2000; Diana Wood (Hg.): Medieval Money Matters, Oxford 2004. Vgl. auch die numismatische Online-Bibliografie http://www.bibliographie.makeler.de.
[2] Bernd Kluge: Münze und Geld im Mittelalter. Eine numismatische Skizze, Frankfurt am Main 2004 (mit hervorragendem Bildmaterial).
Hendrik Mäkeler